Mittsommer im finnischen Lappland
Lappland im Schein der Mitternachtssonne
von Antje Urban
01. Mai 2024
Glück finden
Während des Mittsommers im finnischen Lappland wird die Nacht zum Tag. Eine Reise im Sommer an den Polarkreis eignet sich deshalb besonders, das finnische Glück zu finden.
Kurz nach Mitternacht
Wie bei einem mediterranen Sommerabend strahlt die Sonne satt am Horizont. Der Himmel ist in ein warmes, gelb-rötliches Licht getaucht. Aber es ist kurz nach Mitternacht am Nordpolarkreis. Ein Naturphänomen, das nördlich und südlich der jeweiligen Polarkreise auftritt. Durch die Schrägstellung der Erdachse geht im Sommer an den Polen die Sonne nicht unter. Bei so viel Tageslicht wird Schlafen zur Nebensache. Dafür bleibt doppelt so viel Zeit, in der wilden Natur oder bei den vielen Gebräuchen nach dem vermeintlichen finnischen Glück zu suchen. Die Finnen gelten schließlich laut „UN World Happiness Report“ als das glücklichste Volk der Welt.
Zur Sommersonnenwende werden alle aktiv
Während sich ein Drittel aller glücklichen Finnen im Süden oder Südosten rund um die Hauptstadt Helsinki zusammendrängen, leben in Lappland auf circa 100.000 Quadratkilometer nur 178.000 Menschen zusammen mit geschätzten 230.000 Rentieren. Einsamkeit ist der Lappländer also gewohnt. Doch nach einem langen, dunklen Winter tauen die Menschen während der Sommersonnenwende sprichwörtlich auf. Dann zieht es sie zu ihren Wochenendhäuschen und ins Freie zum Grillen, Feiern, Trinken und Sport treiben. Öffentliche Räume erwachen zum Leben und die Restaurantterrassen sind jeden Abend voll. Die Mittsommernächte in Helsinki – also im Süden des Landes – werden als „weiße Nächte“ bezeichnet. Nur für wenige Stunden verschwindet hier die Sonne hinter dem Horizont. Oberhalb des Polarkreises aber steht die Sonne 24 Stunden am Himmel.
Wo Santa Claus lebt und Fremde Bäume umarmen
Um die Mitternachtssonne lange auskosten zu können, begibt man sich am besten erstmal nach Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands, sowie Eintrittstor am Polarkreis. Hier und nicht am Nordpol lebt auch Santa Claus. Ein großes Erlebnisdorf ist ihm gewidmet. An den vielen kleinen und großen Seen stehen die Wochenendhäuser – mal luxuriös, aber meistens doch einfach gehalten. Und für Touristen gibt es die ein oder andere ausgefallene Übernachtungsmöglichkeit. Wie die Magical Ponds. Das sind kubische Mini-Bungalows, die mitten im Wald an einem kleinen See stehen. Auf kleinstem Raum finden sich darin ein großes Bett, Bad und sogar eine Kitchenette. Dank einer durchgehenden Fensterfront scheint sich das Bett mit der umgebenden Landschaft aus Wasser, Wald und Granit zu vereinen. Wer in diese unberührte Natur blickt und die sauberste Luft einatmet, der erahnt das finnische Glück.
Das Verhältnis der Finnen zu ihrer Natur ist liebend, respektvoll und innig. Ihre Liebe drückt sich nicht nur in allen Outdoor-Sportarten wie Wandern, Kajak fahren oder Angeln aus, sondern auch in der „Treehugging Weltmeisterschaft“. Schon seit 2016 existiert in Finnland eine nationale Baum-Umarmungswoche. Die Weltmeisterschaft im waldreichsten Land Europas aber soll die sinnliche Verbindung zur Natur auch für Ausländer möglich machen. Immer im August treffen sich daher in der Stadt Levi Baum-Umarmer aus der ganzen Welt.
Einmal Auspeitschen in der Sauna bitte!
Vor allem im Sommer findet ein kollektiver Exodus aus den Städten in diese glückliche Welt statt. Da, wo sich Bären, Wölfe und Rentiere Gute Nacht sagen. Und wo die Menschen in der Mitternachtssonne grillen und Kaffee trinken. Und wer mit den Einheimischen und ihrer Kultur im wahrsten Sinne noch mehr auf Tuchfühlung gehen will, der kommt an einem Saunagang nicht vorbei. Bei einer Population von 5,6 Millionen Finnen gibt es über drei Millionen Saunen. Seit 2020 ist die finnische Saunakultur sogar Teil des UNESCO-Welterbes. An diesem Ort voller Kraft und Hitze sind viele Ältere noch zur Welt gekommen. Außerdem dient die Sauna auch heute überdies dazu, bestimmte Lebensmittel aufzubewahren oder zu trocknen. Und statt Stille wie in einer deutschen Sauna herrscht hier lautes Lachen und die Sauna-Elf peitscht auf Wunsch und zur Gefäßanregung die Gäste mit wassergetränkten Birkenzweigen aus. Eine heilende Wirkung hat das Saunieren allemal. Und wer bei so viel Licht nicht schlafen kann, dem wird ein Saunabesuch und anschließend in der Mitternachtssonne ein Bad in einem See empfohlen. So machen es die Finnen nämlich auch. Welch ein Glück.